Autobiografisches

   Das größte Geschenk, das der Herrgott einem Menschen geben kann, ist – die Augen zu öffnen für seine herrliche Welt.

 

 

Ein Zufallsfund eines der Schönfeld-Söhne förderte [Anfang April 2014] zwei handschriftliche Manuskripte [20 bzw. 10 Seiten DIN-A4] Erich Schönfelds mit autobiografischen Notizen [1900 bis ca. 1930 und 1945 bis ca. 1950] zutage, die er 1979 als 75jähriger zur Vorbereitung für einen VHS-Diavortrag verfasst hatte.

In der Folge werden einige Passagen sinngemäß bzw. wörtlich wiedergegeben. Fettdruck als Orientierungshilfe: - Erich Schönfeld zählt sich „als das 7. Kind des Konditormeisters und Schokoladenlaboranten Wilhelm Schönfeld“. [Die gelegentlich kolportierte Einordnung als 8. Kind beruht darauf, dass ein totgeborenes Geschwister mitgezählt wird.] - Seinen Vater, Schokoladenmeister bei Stollwerk in Berlin, beschreibt er als einen begnadeten Schokoladenkünstler, der bemerkenswerte Kreationen für gutbetuchte Kunden fertigte. - Schönfelds Eltern waren aus Sachsen-Anhalt [Magdeburg und Köthen] 1900 in den  Norden Berlins, einem Arbeiterviertel, gezogen. 1914 etablierten sie sich in der  gutbürgerlichen Mohrenstraße im Zentrum Berlins, zwischen Unter den Linden und der Leipziger Straße, zwischen Friedrichstraße, Gendarmenmarkt und Potsdamer Platz. - Der zehnjährige zeichnerisch sehr begabte Erich Schönfeld nutzte nach dem Umzug ein halbes Jahr, um Alt-Berlin mit seinen Museen, Galerien und Kunstausstellungen zu erkunden. Vor Schaufenstern von Gemäldehandlungen kopierte er oft spontan ausgestellte Landschaftsgemälde, zwölfjährig teils auch im Auftrag von Kunden. 

- Besonders zog es den Heranwachsenden in die eindrucksvollen werktreuen Inszenierungen im Schinkelschen Schauspielhaus, am Gendarmenmarkt, zwischen Französischem und Deutschem Dom gelegen. Den „Peer Gynt“ von Hendrik Ibsen sah er sich siebenmal an, wobei den Zwölfjährigen, wie auch die anderen Zuschauer, der theatralische Schiffsuntergang, der dank ausgeklügelter Bühnentechnik „in diesem Theater so fürchterlich und realistisch dargestellt“ wurde, zutiefst beeindruckte.

- Der junge passionierte Theatergänger lernte begeistert das ganze klassische Repertoire in großartigen Aufführungen kennen. Die Zuschauer-Begeisterung des 14jährigen für die Bühnenmalerei wurde allerdings bei der ersten praktischen Begegnung mit der grobschlächtigen Malweise im Malersaal so enttäuscht, dass er darin keinen Wunschberuf mehr sah. Nach seinem Studium allerdings hatte er professionelles Verständnis für die berufspezifischen Techniken der Bühnenmaler, so dass er selber Bühnenbild-Entwürfe für ebendas Schauspielhaus fertigte.

- Mit 15 Jahren wurde Erich Schönfeld – dank seines zeichnerischen Talents – aufgenommen in das „Schulatelier für Zeichnen und Malen, Vorbereitungsanstalt für die höheren Kunsthochschulen, mit dem Ziel der Aufnahmeprüfung“. Er betrachtete die Schulung durch die Studienräte Schütze und Wernicke als förderlich für seine kunsthandwerklichen Fähigkeiten und seine kulturelle Bildung. Zu dieser Zeit war dort auch Leni Riefenstahl Schülerin.

- Da eine Bedingung für die Aufnahme „in die damalige Unterrichtsanstalt des Staatl. Kunstgewerbemuseums“ war, einen kunstgewerblichen Beruf erlernt zu haben, erlernte Schönfeld mit 16 Jahren ein Jahr lang als Volontär die Porzellanmalerei bei einem Bekannten seiner Eltern, der als Porzellanmaler eine bedeutende Firma besaß.

 

                                               

                                                       Selbstporträt 1920   (16 Jahre)                                                               Selbstporträt 1920   (16 Jahre)

- Mit 17 Jahren bestand er die Aufnahmeprüfung an „dieser Hochschule des Kunstgewerbemuseums“ und begeisterte sich für die Welt der Künste:

„Diese Welt war so ganz anders als die da draußen. Hier wehte der Geist der Götter. Ich war restlos glücklich.“

- Aufgrund seines Kopiertalentes [„... weil ich einen Orientteppich aus dem Gedächtnis genau kopiert hatte, der uns 10 Minuten gezeigt wurde ...“] wurde er - gegen seine Pläne - in eine Musterzeichnerklasse des Professor Scherz gewiesen. Das empfand Erich Schönfeld fachlich und menschlich als grobe Fehlentscheidung.

                                                                                                                                   

                                                                                                                                  Emil Orlik, Selbstbildnis aus den 1920ern

- Zielstrebig wurde er nach einem halben Jahr aber bei Professor Emil Orlik mit einer Arbeitsmappe vorstellig und überzeugte ihn von seinen Qualitäten: „Kommen Sie zu mir im nächsten Semester. Ich wurde Orlik-Schüler. Der Ruhm des Prof. Emil Orlik war so groß in den 20er Jahren, daß es etwas Besonderes war, ein Schüler dieses Mannes zu sein.“

- 1922 – 1927: „Unter der Leitung des Emil Orlik wurde ernstes Naturstudium betrieben. Ich arbeitete in seiner Klasse mit großem Fleiß und erzielte schöne Erfolge. Betrachtete man mich bei meinem Eintritt in die Orlikklasse mit einigem Mitleid, war ich doch ein zu klein geratener Jüngling mit meinen 1,59 m, so war man bald anderer Meinung über meine Konkurrenz. Im ersten Semester zeichnete ich den besten Faltenwurf. Eine kleine Radierung von E. Orlik war der Lohn. Meine Arbeitswut war durch das große Können der Mitschüler entfacht, und ich wollte es ihnen gleich tun. War nun Prof. Emil Orlik mein Hauptlehrer und Führer meiner Entwicklung, so nahm ich weiteren Unterricht im Zeichnen und Malen bei Prof. Ernst Böhm, Tiefdruck und Steindruck bei Prof. Karl Michel, ein gemütlicher Sachse aus Bitterfeld ... Aktzeichnen bei Prof. Koch und dem alten Kriegsmaler Prof. Henseler. ... Bei Prof. Heuer nahm ich Unterricht im Schriftzeichnen und Schriftschreiben.

Die Zukunft sollte es noch beweisen, wie wichtig die Beherrschung der Schrift in der Gebrauchsgraphik ist; ohne die korrekte Ausführung der Schrift ist jeder graphische Entwurf eine schlechte Sache. Viele Drucksachen entstanden so neben meiner rein künstlerischen Arbeit.“

- „1927 im Oktober beendete ich mein Studium mit dem guten Resultat eines sehr guten Abgangszeugnisses. Es heißt dort unter anderem: ‚Schönfeld verfügt über eine gute Begabung. Im Unterricht hat er mit großem Eifer und künstlerischem Ernst gearbeitet und gute Leistungen hervorgebracht, in denen er eine ausgesprochene Eigenart sich bewahrte. Seine Begabung liegt in der Hauptsache auf dem Gebiet der Graphik, auf dem er schon ein beträchtliches Können erreicht hat.

Bei den Wettarbeiten sind ihm in den Schuljahren 1922 – 1927/28 2 Erste Preise, ein Zweiter Preis, ein Geldpreis und 4 Trostpreise zuteil geworden.‘  

 

                                                                                                

                                                                                    Das kleine Fenster (1923) – die erste seiner preisgekrönten Arbeiten

 

                                                          

  

 

                                                 

                                                                                                                           Emil Orlik 1870 -1932

 

 

 

           

                                             Emil Orlik 1870 -1932                                                                                                                                   Emil Orlik 1870 -1932

                                                                             Dies sind drei Preise, die Schönfeld von Emil Orlik erhalten hat

 

 

- „Die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums wurde 1924 mit der Hochschule für bildende Künste zusammengelegt und führte forthin den Titel: Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst. Dieser Hochschule habe ich doch eigentlich meine künstlerische Entwicklung zu verdanken, umso mehr, als ich durch die Bewilligung eines Staatsstipendiums für die Dauer meines Studiums der Sorgen enthoben wurde.

 

                                                                             

                                                                                                      Erich Schönfeld bei der Ufa

"Die Ufa-Filmgesellschaft lud mich ein, für sie zu arbeiten; ich trat als Mitarbeiter ein und fing wieder an zu lernen, diesmal das Gebiet des Trickfilms.

Drei Jahre später [1930] eröffnete ich selbst ein Trickfilmatelier und arbeitete für viele Großfilm-Firmen, wie Tobis-Terra-Europafilm usw.. Dieser freien und gewinnbringenden Filmtätigkeit machte das Dritte Reich ein jähes Ende, denn keine Filmfirma bekam ein Manuskript für einen neuen zu drehenden Film bewilligt. Der Minister Goebbels bestimmte einfach, und viele im Film tätige Fachleute wurden arbeitslos." 

Es gab nur noch nach dieser Gleichschaltung drei Filmgesellschaften: die Ufa, die Tobis und die Bavaria-München.

 

                                                                                                       

                                                                                           

 

 

"Meine Gemälde bekam ich regelmäßig von der großen Kunstausstellung in München zurück, denn ich war ja kein Parteigenosse. Das Leben ging weiter, der künstlerische Ernst wurde mit zunehmendem Alter größer, und Aufträge von bedeutenden Persönlichkeiten kamen herein."

 

 

                                                                                                 

                                                                       Prinzessin Reuss XXVI, geborene Gräfin Fürstenstein

 

"So porträtierte ich 1936 Prinzessin Reuss, die XXVI. = 26., auf Schloss Wiesenburg, den Grafen von Plauen und seine Gattin.

- Große Pläne zerstörte der ausbrechende Weltkrieg, und alle Arbeiten aus meiner Studienzeit wurden vernichtet. Die gesamte Habe des einstigen Wohlstandes ging verloren. Nur mit einem Rucksack und ein paar Strümpfen wurde ich nach 5jährigem Soldatentum aus dem Lazarett Augsburg im August 1945 nach Friesland entlassen, um von dort aus nach meiner Familie zu forschen.- Ich fand bald Anschluss an Kreise, die die von den Nazis zertrampelte Freiheit wieder aufzurichten sich bemühten. Man kam zusammen, sprach über Kunst, Literatur und über alles, was von den Nazis unterdrückt worden war.

Der Drang nach Bildung und Betätigung war stark, Leute fanden sich, und es waren Kapazitäten unter der Menge, die unentgeltlich Vorträge hielten und ihre Erfahrungen gratis abgaben. Es bildete sich das, was man etwas später unter dem Begriff ‚Volksbildungswerk‘ verstand. Die führenden Köpfe dieser Bewegung waren Prof. Westermann, der zu früh verstorbene Pianist und Kritiker Lutz, meine Wenigkeit und Frl. Kochhan. Honorare gab es keine."

 

                                                             

 

    Erich Schönfeld (hinten links)  in der druckgrafischen Werkstatt der VHS Leer, die er im wesentlichen aufgebaut und jahrelang geleitet hat.

 

 

- Was ich nun zu meinen Gemälden und Zeichnungen sagen könnte, ist das, dass sie eigentlich von selbst sprechen, sie brauchen keine Erklärung.

- In vielen Ausstellungen der Sezession-Berlin konnte ich die Moderne studieren; aber immer wieder sagte meine Seele nein zu den konstruierten Gebilden . Ich kann die Modernen nicht verstehen, die an Stelle der Schöpfung eigene Schöpfungen stellen wollen, die den lieben Gott für dumm erklären wollen und alles besser machen wollen. ...

Die Diktatur der Modernen, die in den letzten Jahren von Kunstkritikern und Museumdirektoren ausgeübt wurde, war so brutal, dass Gegenständliche Künstler gar nicht mehr wagten, ihre Bilder einzureichen. - Für mich ist der Naturalismus, der eines Grünewald, van Gogh, Käthe Kollwitz, Slevogt, Menzel usw. die wahre Kunst – natürlich die großen Götter wie Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo – wie sie alle unsterblich zu uns sprechen - die wahre Malerei.“

-in dem zweiten Manuskript:

„Ich bin mit meiner ganzen Seele in der naturalistischen Erscheinung der Natur verwurzelt. In vielen Ausstellungen der Sezession-Berlin spiegelte sich das Künstliche aller Richtungen wider, und meine Gefühle für die supermoderne Kunst – Kandinsky, Picasso, Paul Klee usw.. – waren schon in jungen Jahren damals kühl!

Auch in kommenden späteren Jahren waren meine Versuche, in die geheimnisvolle Sprache der erwähnten „Modernen“ einzudringen, hoffnungslos, ich empfand nur zuerst das Konstruierte in diesen modernen Kunstrichtungen; wohl empfand ich bei diesem und jenem farbliche Harmonie und gute Kompositionen, aber mein Innerstes sagte „gemacht“! Auch die vielen Mitläufer!

Mein Misstrauen wurde bestätigt, als man anfing nach diesem 2. Weltkrieg, alle gegenständlichen und naturalistischen Werke verächtlich zu machen. Kunstschaffende überschlugen sich in dialektischen Formulierungen, die kein Mensch verstehen konnte – man war ja plötzlich so gelehrt und tat die naturalistische Malerei ab mit dem Prädikat: spießbürgerlich, primitiv, total veraltet, längst überholt. Genährt wurde diese bewusst gesteuerte Kritik über den Naturalismus durch Zeitungsschreiber, die dauernd auf den Nerven der Menschen herumhämmerten: Picasso, der Größte aller Zeiten, Kandinsky, der Dämon der Farbe  usw.

Der an der Kunst interessierte Deutsche wusste bald nicht mehr, was er glauben sollte, und hatte die Meinung über sich selbst so formuliert: Wir sind wohl zu dumm, die große Moderne Kunst zu verstehen. In den Schulen wurde nur noch ganz selten nach der Natur gezeichnet; es wurde fast nur noch Kartoffeldruck geübt.

Wie sehr das Auge für die wirklichen Dinge verdorben ist, kann man in dem Fernsehspiel „Die Montagsmaler“ sehen: Die einfachsten Dinge – etwa eine Schnecke oder eine Maus – sind nicht mit ein paar Strichen wiederzugeben – eine Quälerei sind diese Bemühungen der Montagsmaler.

 

 

                                 

 

                                             Baumstudien, 1959 ( Buntstift)                                                                                Baumstudie 1959 ( Pastell)

 

"Ich danke jeden Tag dem Schöpfer, dass er mir Augen gegeben hat, seine geheimnisvolle Natur in ihrer Schönheit und Wahrheit zu empfinden.

Ich habe auch nie dies Collegen verstanden, die bis dahin gut naturalistisch malten, dann über Nacht plötzlich alle Picasso malten und erklärten: Ihnen wäre plötzlich das Genie Picassos aufgegangen. Man müsse eben dran bleiben, sonst könne man kein Geld verdienen. Solche Leute sind nur Kaufleute, aber keine Künstler!

War im Nazi-Staat die Moderne Kunst verboten [, und es wurden sogar Leute wie Dettmann zum entarteten Künstler erklärt, weil er Demokrat war,], so konnte man auf Ausstellungen nach diesem Weltkrieg fast keine Gegenständliche Malerei entdecken; sie wurde erst gar nicht von der Jury angenommen. Man erlebte jetzt umgekehrt die Diktatur der modern eingestellten Jury-Kommission.

Die Zeit hat aber gezeigt, dass die Sehnsucht nach Ruhe und Schönheit und Harmonie dieser Welt bei den Menschen wieder an erster Stelle steht.

Ich sage: Diese Welt ist auch von der Naturalistischen Palette unerschöpflich, und ich bin glücklich, dass alle Versuchungen, mich von der Gegenständlichen Kunst abzubringen, nicht gehalten haben.

Für mich ist Grünewald der größte Expressionist, neben van Gogh, Munch und Käthe Kollwitz – sie sind die wahren Naturalisten! Auch Picasso in seiner Frühzeit gehört zu diesen!

Was ich in meinem 75. Lebensjahr noch für einen Wunsch habe –ist der: dass der Herrgott mir noch einige Jahre schenken möge, um die Visionen zu malen, mit denen ich mich seit Jahren herumtrage.

Das größte Geschenk, das der Herrgott einem Menschen geben kann, ist – die Augen zu öffnen für seine herrliche Welt.

Das empfand auch der Maler Eugen Bracht, der einmal von sich sagte: Auf meinem Grabstein soll einmal stehen: ‚hier liegt der glücklichste Mensch‘ “

wieder aus dem ersten Manuskript:

„Was ich heute erreicht habe als Maler, ist wenig; und wenn ich zurückblicke auf mein Leben der 75 Jahre, so bin ich doch dankbar für die Gnade des Himmels, der mir die Augen für das Schöne und Wahre dieser Welt der Kunst geöffnet hat.

Möge der gnädige Gott mir noch einige Jahre schenken, um die seit Jahren schlummernden Bilder in meiner Seele zu erschaffen.

Der Schöpfer kann einem Menschen kein größeres Glück schenken, als die Gabe,“ [die sichtbare Natur durch künstlerische Tätigkeit zu verstehen.]

 

                                                                                                   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                              

                                                Nordwest-Zeitung, 10.05.2014

                                                             

 

 

 

 

 

 

                 

                           24.05.2014